B R D » ... Fachkräfte

Das ist ein richtig heikles Thema - auch in der Schweiz. Dabei sind die Probleme hier vielfältig:

- mangelhafte Ausbildung und fehlende Bereitschaft zur echten Weiterbildung der einheimischen Bevölkerung

Warum dieser Punkt zu oben auf? Weil es der verlogenste bei jeder Diskussion ist. Viele Verwechseln den Besuch von Weiterbildungskursen und irgendwelche Zertifikate mit echter Weiterbildung und realem Wissenzuwachs. Dabei ist die IT-Branche nicht mehr der einzige Bereich, den diese "Null-Bock"-Haltung massive Probleme bereitet. Ich bin nun lange genug als externer Berater unterwegs, um die Probleme bei vielen Kunden zu sehen. Ein motivierter IT-Berater könnte dabei problemfrei ganze Abteilungen ersetzen, die kaum noch produktiv sind - egal, ob nicht wollen, nicht können oder die Kombination aus beidem der Grund sind.

In meinem Bereich läuft es nämlich genau umgekehrt: erst gibt es den Wissenszuwachs und danach kann es erst Weiterbildungskurse geben, die das neue Wissen vermitteln. Es ist verblüffend, wie gering die Bereitschaft beim Stammpersonal der Unternehmen ist, neues Wissen anzueignen... Und die sind noch lernwillig... Im Vergleich zu vielen, die auf Jobsuche gehen und die hundertste Absage bekommen - was auch vergessen geht. Auch die Arbeitgeber haben mit der Zeit gelernt, echte Bewerber von Pseudobewerbern zu unterscheiden. Da können die Pseudobewerber noch so viel in den Foren rumschreien. Die Zeiten, wo eine Staatsbürgerschaft einen Arbeitsplatz garantierte, sind auch in der Schweiz erstmal vorbei. Leistung zählt mittlerweile mehr - womit zu viele einfach nicht umgehen können und wollen...

Thema Arbeitsmoral:
- auch die Schweiz ist nicht das Paradies auf Erden und diverseste Arbeitsmarkt Statistiken geschönt. Trotzdem fällt auf, dass in gewissen Berufen defacto keine Schweizer arbeiten. Obwohl diese händeringend gesucht werden:

- Bau (ausser die lukrativen Berufe, da sind es fast nur Schweizer)
- Service (Restaurants etc)
- Pflege
- Friseure
- Landwirtschaft (die Bauern selbst sind zu 100% Schweizer, deren Angestellte so gut wie nie... Es ist auch der Sektor mit den mit Abstand niedrigsten Löhnen und den höchsten Raten beim illegalen Beschäftigen. Die Bauern selbst wählen natürlich alle stramm SVP...)

usw usf

Auf der einen Seite bediene ich jetzt Klischees, auf der anderen Seite ist es trotzallem ein Spiegelbild der Realität. DE und der CH geht es so gut, das nicht gerade geringe Teile der Bvölkerung verlernt haben, wirklich zu arbeiten. Und ihre Ansprüche den heutigen Realitäten anzupassen.


Ich hatte mal anderswo ein Beispiel gebracht. Als Kind der Wendezeit haben mich die 90-iger Jahre stark geprägt. Das Wissen, dass in der Ostzone nicht Leistung das entscheidende Kriterium für einen Arbeitsplatz und Bezahlung war, sondern Glück, Beziehung - und der westdeutsche Ausweis. Berlin bot etwas an, was keine zweite Region von sich sagen konnte - man konnte Ost und West direkt miteinander vergleichen. Was man sehen konnte, hat viele Ostdeutsche frustriert. Mehr Geld für schlechtere Arbeit - in der gleichen Firma, am gleichen Arbeitplatz - war die Regel, nicht die Ausnahme. Die billigen, teils höher qualifizierten ostdeutschen Kollegen schleppten die westlichen mit durch... Nicht umgekehrt...

...aber ok, das war der Nachwendezeit und dem tiefen Misstrauen gegenüber den Ostfähigkeiten geschuldet.

Und dann kam ich nach Giessen. Was ich im Westen erlebt habe - auch hier bin ich vielleicht zu pauschal, aber den Eindruck haben mir viele Ostdeutsche bestätigt - erinnerte frappant an die DDR. Von 4 Leuten arbeiteten real 2, wobei einer nur die Hauptlast trug. Der Rest wurde einfach durchgeschleppt. Zur gleichen Zeit in Berlin musste den gleichen Job bei der gleichen Firma eine Person die gleiche Arbeit wie die 4 Kollegen verrichten, aber zu einem niedrigen Gehalt. Begründet wurde das ganze durch "die höhere Produktivität im Westen". Was für ein Hohn....


...trotzdem muss man auch hier sagen - in Zeiten der wirtschaftlichen Krise kommt auch der Westen nicht drum herum, sich den ostdeutschen Arbeitsstandards anzupassen. Für die fleissigen 50% kein Problem. Die behalten ihren Job - problematisch wird es für die anderen 50%. Also genau die, die jetzt am lautesten schreien, dass ihnen Ausländer die Arbeitsplätze wegenehmen. Dabei sind es sie selber, die durch ihre mangelnde Arbeitsethik ihre Existenz (und die unsres Wohlfahrtstaates) aufs Spiel setzen.

#6
Bei der Pflege kummulieren sich mehrere Probleme.

Problem Nummer 1:
- die Entlohnung für die geleistete Arbeit ist schlichtweg zu schlecht. Wobei hier nicht die Entlohnung der Angestellten gemeint ist... Unser System krankt daran, dass wir defacto nur private Pflegedienste besitzen, die bestenfalls eine schwarze Null schreiben müssen (Caritas und Co), schlimmsten Falls aber eine Marktrendite von mindestens 5% erwirtschaften müssen. Da sich sonst das Geschäft für den Investor nicht lohnt.
- du weist besser als ich, wie pflegeintensiv ein Patient der Pflegestufe 3 ist. Und wie gut oder schlecht die Betreuung auf einer Abteilung. In der alten Pflegestätte kamen auf 20 Heimbewohner 2 Pfleger. Viel zu wenig. Die Fluktuation war entsprechend gross. Aber mehr konnte sich das Heim nicht leisten. Dafür waren die Investitionskosten zu hoch...
Problem Nummer 2:
- der Sektor steckt immernoch in den Kinderschuhen. Es fehlt an allem - zu allervorderst an ausreichender Konkurrenz, die die Marktstandards heben würden.
Problem Nummer 3:
- überforderte Führungskräfte
Problem Nummer 4:
- hohe Fixkosten pro angestellte Person. Die Krux an der Teilzeit ist, dass 2 Personen, die sich ein volles Pensum teilen, deutlich teurer sind, als eine Personen, die das gleich Pensum durchzieht. Die freundlichste Rechnung bei den Zusatzkosten ist der Verwaltungsmehraufwand bei den sitzenden Kollegen - real kommen noch doppelte Kosten bei der Ausstattung, Versicherung usw. hinzu. Womit wir wieder bei Problem Nummer 1 wären.
Problem Nummer 5:
- junge Leute kosten. Und zwar sehr viel Geld in einarbeiten und weiterbilden. Hinzu kommt, dass sie weniger berechnenbar sind, d.h. das Risiko einer Kündigung ist höher, Arbeitsaufälle durch Schwangerschaft, Umzug, Auszeiten ebenso. Dazu hat das Image der jungen Generation hinsichtlich ihrer Fähigkeit arg gelitten...

Zitat von marietta im Beitrag #7

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Zitat

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# 6 | RE: ... Fachkräfte

- Bau (ausser die lukrativen Berufe, da sind es fast nur Schweizer)
- Service (Restaurants etc)
- Pflege
- Friseure
- Landwirtschaft (die Bauern selbst sind zu 100% Schweizer, deren Angestellte so gut wie nie... Es ist auch der Sektor mit den mit Abstand niedrigsten Löhnen und den höchsten Raten beim illegalen Beschäftigen. Die Bauern selbst wählen natürlich alle stramm SVP...)

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... ich spreche nur von Pflege, denn da kann ich mitreden!!
... Pflege, mit ner guten Berufsausbildung und Erfahrung wird in der Schweiz, wie auch in Österreich erheblich besser bezahlt, als hier bei uns im Lande
... und ich habe oft darüber nachgedacht, einfach umzusiedeln
... hätte es nicht zig Gründe gegeben, die mich daran gehindert haben!!

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Wenn du in der Schweiz arbeiten willst, dann bewirb dich in Grenznähe, so dass du weiterhin in DE wohnen kannst. Von der besseren Bezahlung bleibt dir sonst nach Abzug deiner Lebenshaltungskosten nichts übrig...

#5 IT
Zwischen dem, was du unter IT verstehst, und dem, was ich darunter verstehe, liegen Welten. Für 40 Euro die Stunde triffst du vielleicht nen Inder am Telefon - oder nen talentierten Studenten. Das wars. Der Stundensatz für Leute, die in dem Bereich Ahnung haben, liegt irgendwo zwischen 100 und 500 Euro die Stunde. Je nach Wissen und Branche... (Bitte nicht verwechseln mit Gehalt! Das liegt immer deutlich unter den für Kunden zu zahlenden Beiträgen!! D.h. wenn du einer Firma 40 Euro die Stunde zahlst, dann verdient der Angestellte zwischen 8 und 15 Euro davon. Du kannst an einer Hand abzählen, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, jemand fähiges für das Geld zu bekommen...)

In Deutschland gibt es nicht nur in der Pflege mangelhaft ausgebildetes Personal, auch im Maschinenbau/Metallbau gibt es reichlich "Blindfische". Tatsache ist die schlechte Schulausbildung z.B. Rechtschreibung Note 4 - 5, Matematik (Voraussetzung in einem technischen Beruf) Note 4. So setzt sich es weiter fort. Andreas und Willy gehen häufig in den ehemaligen Betrieb von mir da es dort Nachhilfeunterricht für Lehrlinge/Auszubildene gibt. Nicht nur für eigene Lehrlinge sondern für jetzt 5 Betriebe. Was ich damit sagen möchte ist ein großer Mangel an WICHTIGER Vorbildung gibt. Dazu kommt ein Herumgebastel an den Ausbildungsberufinhalten und auch an den Namen der Berufe, es ist NICHTS besser geworden sondern nur sehr viel schlechter. Einem ehemaligen Maschinenschlosserlehrling ist SEIN Beruf gelehrt worden dazu Arbeiten in artverwandten Berufen verschafft worden. Jetzt wird einem Schlosser Computerarbeiten und Arbeiten im Büro beigebracht, anschliessend fehlt die Zeit in seinem Beruf zu lernen. Und dann wundert man sich? Es bringt jedenfalls kaum Spaß Berufswissen in Hohlköpfe einzuhämmern.

Fachkräfte aus deinem "speziellen" Bereich sind ein notwendiges Übel, zumindest nach Lesart der Betreiber. Denn sie schmälern den Gewinn. Und die gesamte Ausrichtung ist seit Ewigkeiten eben genau an der G+V-Rechnung ausgerichtet. Warum, glaubst du, werden für einen Gang mit 20 Patienten nur 2 Pfelgekräfte eingesetzt? Weil einerseits die notwendigen Kontrollen fehlen, andererseits auch kein ausreichend belastbarer NAchwuchs "beschaffbar" ist. Und wenn, dann wird dieser in kürzester Zeit "verheizt". Der ganze Bereich ist seit langem, wenn nicht schon immer, ein Stiefkind in der Bewertung. Und diese minutiöse "Abarbeitung" von Aufgabenstellungen passt genau in den Plan derer, die daran kräftig verdienen. Hauptziel ist die Ruhigstellung des "Humankapitals", welches ja in dieser Situation nichts mehr "erwirtschaftet". Daraus folgt eine automatische "Missachtung" des Berufsstandes, auch von "ganz oben"....
It-Ler waren übrigens schon zu Beginn des Computerzeitalters eine spezielle Berufsgruppe, die es sich angelegen sein ließ, als etwas Besonderes aufzutreten(das geht jetzt nicht gegen dich ctulhu!!). Die NOTWENDIGKEIT der Instandhaltung und Wartung NACH Einführung dieser Technik rechtfertigte die Bezahlung(und Bewertung) spezifischen Wissens. Und diese war auch stets mit Weiterbildung(skosten) zu verbinden. Damit "explodierten" dann auch die Preise, die lange Zeit über jedem anderen Niveau angesiedelt waren. Einzige Ausnahme waren wohl Fachärzte, die genauso arbeiteten....

Weist du uni - ich unterscheide bewusst zwischen echten und Pseudo-ITlern. Das Verhältnis liegt so bei 10% zu 90%.

Mein Job ist eigentlich nichts besonderes - ich konfiguriere Buchhaltungssysteme auf einer Spezialsoftware. Im gleichen Bereich arbeiten mindestens 1000 andere Leute. Und trotzdem gibt es auf meinem Niveau vielleicht 50 andere auf dieser Welt. Und nochmals 50, denen ich nie das Wasser reichen werde...

Was uns vom Rest unterscheidet - und unser Gehalt "rechtfertigt" (rechtfertigen im Marktsinn)? Wir kombinieren Fachwissen mit dem notwendigen IT-Know How - und sind auch noch bereit zu arbeiten. D.h. für eine Popelaufgabe benötigen wir 2 Stunden und nicht 2 Wochen, die sich die internen Mitarbeiter gönnen. Obwohl sie die gleiche Aufgabe auch in einem Tag packen würden... Wenn sie denn wollten. Und müssten....

...diese Einstellung ärgert mich übrigens massiv, weil sie die eigentlich interessanten Projekte - und damit die Weiterentwicklung des Unternehmens - blockieren. Also die Projekte, die mich interessieren. Wo man sich Wissen erst aneignen muss, bevor man auf die Lösung kommt - oder auch nicht, weil es keine technisch umsetzbare Lösung gibt. Basierend auf der existierenden Architektur....

...womit wir wieder am Anfang des Kreisflaufs wären - der mangelnden Arbeitsmoral.... Es wird sinnlos Geld für Arbeiten ausgegeben (d.h. für externe Spezialisten), die
a) mit den Aufgaben schlichtweg unterfordert sind
b) problemfrei von den Internen gemeistert werden könnten... Denn Potential ist ausreichend da. Nur wird es nicht gehoben....

Übrigens sind die Preise mittlerweile so niedrig, dass man als Selbständiger weniger verdient als die Angestellten des Kunden... Weil Firmen nur noch reine IT-ler ohne Fachwissen kaufen. Bzw. nur noch über den Preis gehen. Was das für die Qualität der aufgesetzten Software bedeutet... Nun gut. Mehr gut bezahlte Arbeit für die Zukunft, wenn der Kunde endlich begriffen hat, dass man nicht nen Mercedes kaufen kann, aber nur den Preis für einen Dacia bereit ist zu zahlen... Best case. Worst case, d.h. Normalfall, gibts nur nen Tata oder nen Lada für den Dacia-Preis....

ctulhu,
bleibt dann aber die Frage: wie motiviere ich die "internen" zur bestmöglichen Arbeitsleistung im Rahmen der gestellten Aufgabe? Denn wenn du mal davon ausgehen willst, dass diese Leute im Laden vorhanden sind, muss man sie "fördern und FORDERN". Und das geht meist über eine Anreizbildung, gleich welcher Art diese sein mag. Ich war bisher immer der Ansicht, dass man sich die eigenen Leute dazu heranbildet, auch wenn das zwischenzeitlich Geld kosten kann; aber nur auf diesem Weg ist eine "Spezialisierung" innerhalb des Betriebes zweckmässig und sinnvoll....Der dafür notwendige Einsatz an "Erstmitteln" rechnet sich nämlich nach relativ kurzer Zeit!