Glaube » Eine Taufe - oder historisch gewachsene Vielfalt am Jordan

"Darum werden mich alle meine Kollegen in Deutschland beneiden", so die Worte eines gluecklichen Pfarrers nach einer Taufe am Jordan, am gestrigen christlich-orthodoxen Karfreitag.
Was ist nun das besondere Highlight daran, moechte man sich fragen.
Bereits vor Jahrzehnten wurde ich anlaesslich einer Taufe in Deutschland gebeten, ich moege doch bitte eine Flasche Jordanwasser in meinen Koffer packen. Man haette weiss Gott etwas Leichteres erbitten koennen, aber das - nein! Ich hatte weder Lust noch Zugang ans verminte Jordanufer zu spazieren.
Clevere Geschaeftsleute - und derer gibt es viele, sowohl am oestlichen als auch westlichen Jordanufer, hatten die Geschaeftsidee aufgegriffen und kleine Flaschen mit der Aufschrift " Heiliges Jordanwasser" an gutglauebige Touristen verkauft, mit Jesusbildchen versehen, - wer mochte da noch zweifeln. Bekanntlich kann Glaube Berge versetzen und Leitungswasser in heiliges Jordanwasser verwandeln.
Die Zeiten aendern sich, nicht immer zum Besseren - doch vom oestlichen Ufer gibt es eine erfreuliche Entwicklung zu beobachten.
Die Taufstelle Bethany - Bethanien wurde 1988 entdeckt. Nach den ersten Ausgrabungen wurden schon 20 Kirchen, Hoehlen und Taufbecken aus der roemischen und byzantinischen Zeit zu Tage gebracht. Bethanien liegt ca. 10 km noerdlich vom Toten Meer und selbst wer wie ich die damaligen Ausgrabungen verfolgte, haette nie und nimmer die folgende Entwicklung prophezeit.
Die Natur um den Jordan duerfte sich heute kaum von dem unterscheiden, was zur Zeit Jesus verhanden war. . Der Jordan, nun nach einem regenreichen Winter vom Rinnsal wieder zum Fluss geworden, ist umsauemt von Schilf und Tamariskendickicht, das (teilweise) den Blick verstellt auf die Nachbarschaft. Man moege mich nicht falsch verstehen - ich habe nichts gegen diese Nachbarn. Allerdings fand ich es vor Jahren ziemlich stoerend und unwuerdig, auf der einen Seite den Anblick der ins truebe Nass steigenden orthodoxen Russinnen zwecks Taufe, auf der anderen Seite die bis an die Zaehne bewaffneten Soldaten und Wachtuerme, nur einen Steinfwurf entfernt.
Damals - ich schaetze mal vor gut zehn Jahren, stand einsam eine einzige Kirche in der Naehe der Taufstelle, auch das hat sich geaendert, es haben sich zehn weitere ihr zugesellt. Ja, mittlerweile sind es elf, zum Teil fertiggestellte, zum Teil noch im Bau befindliche Gotteshaueser und Kloester verschiedener Konfessionen. Es wurde in Ort der Begegnung von Menschen mit unterschiedlicher religioser Praegungen, ein besonderer Ort, an dem regelmaessig unterschiedliche religioese Taufen stattfinden.
Nicht unbedingt selbstverstaendlich, nicht nur in einem islamisch gepraegten Land!
Doch braucht es so viele verschiedene Kirchen???
Fuer diesen einzigartigen Ort moechte ich es - ausnahmsweise - bejahen.
Der jordanische Koenig und seine Familie haben sich ganz bewusst zur Aufgabe gemacht, die christliche Praesenz in Jordanien zu staerken und den christlich-islamischen Dialog zu foerdern. Aus diesem Grund hat die jordanische Regierung allen im Land vertretenen Konfessionen ein Stueck Land im Umfeld der Taufstelle geschenkt.
Bis heute ist u. a. die griechisch orthodoxe Kirche samt Kloster sowie das russisch orthodoxe Kloster fertig gestellt. Putin hattte den im tradionell russischen Stil angelegten Bau 2012 eingeweiht. Die glaenzend goldene Kuppel ueberstrahlt das Jordantal.
Bleibt zu hoffen, dass dieser besondere Ort auch weiterhin fuer Wildtiere seinen Platz hat. Per Gesetz ist Bethanien als Nationalpark gechuetzt mit dem erklaerten Ziel, ihn so zu erhalten, wie er ist, damit die Pilger ihn so erleben koennen, wie ihn Jesus und Johannes der Tauefer sahen.
Einer der prominentesten Pilger betete bei seinem Besuch am Fluss, Papst Franziskus. Eine simple Holzkonstruktion, hoelzerne Treppen erleichtern mittlerweile den Zugang und ein schlichtes, steinernes Taufbecken mit garantiert gereinigtem, gefilterten Jordanwasser bilden einen schlichten, aber friedlichen und wuerdigen Rahmen fuer ein Ereignis der besonderen Art und wird von den Vertretern aller christlichen Konfessionen genutzt.
Die im letzten Jahr fertig gestellte lutherisch-evangelische Kirche etwas oberhalb der Taufstelle bietet neben der Kirche ein "Freilufttheater" den Blick auf das gesamte Gebiet bis hinueber zum aeltesten Ort der Welt, Jericho.. Dort versammelte sich gestern die Taufgesellschaft, die, im Sinne der Verstaendigung, sich aus unterschiedlichen Glaeubigen zusammensetzte. Christen feierten zusammen mit Muslimen und Buddhisten und Unglauebigen einen Taufgottesdienst.
Ein denkwurdiges Ereignis, nicht nur fuer einen gluecklichen Pfarrer.

Wenn dieser Ort der Verständigung zwischen den verschiedenen christlichen Konfessionen und vor allen Dingen dem Islam fördert würde es mich freuen, wobei ich der Institution Kirche in Deutschland nichts mehr abgewinnen kann.

Das verstehe ich sehr gut, Andreas. Es geht mir mehr oder weniger so mit saemtlichen "geistlichen" Institutionen.
Doch nicht Institutionen sind gemeint, sondern Menschen, Glauebige und Unglauebige, wenn Gemeinsamkeiten und Differenzen klar sind und wenn Wertschaetzung ohne polemische Abgrenzung ausgedrueckt wird - an einem Ort, der fuer Begegnungen geschaffen wurde.

Zitat von samar im Beitrag #3

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Das verstehe ich sehr gut, Andreas. Es geht mir mehr oder weniger so mit saemtlichen "geistlichen" Institutionen.
Doch nicht Institutionen sind gemeint, sondern Menschen, Glauebige und Unglauebige, wenn Gemeinsamkeiten und Differenzen klar sind und wenn Wertschaetzung ohne polemische Abgrenzung ausgedrueckt wird - an einem Ort, der fuer Begegnungen geschaffen wurde.

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Ihre beeindruckende Schilderung, will ich nicht kommentieren - es ist überflüssig.

Sie führen uns in diese "terra incognita", die die Welt so sehr erschüttert, die von allen beachtet wird, dennoch so wenig Interesse findet.

Sie zeigen uns Ihre Sicht auf diesen geschichtsträchtigen Teil der Welt, den wir alle "kennen", von dem wir so wenig wissen.


Eine persönlcihe Facette will ich allerdings erwähnen.

Während ich Ihren Text lese, dringt "Jordanien" an mein Ohr - wie so oft dudelt der Fernseher vor sich hin. Ich blicke hoch und sehe - den Jordan.

Die Kamera schwenkt - Bethanien.

Berührend.


Info:

Die Sendung wird wiederholt:

"Reportage im Ersten: Wüstenreich am Jordan"

heute · Sa, 11. Apr · 19:30 · EinsExtra (ARD) ( Nicht überall ausgestrahlt )

heute · Sa, 11. Apr · 23:15 · EinsExtra (ARD)

am · Sa, 18. Apr · 04:35 · EinsExtra (ARD)

Ich kaeme auch nicht auf die Idee zu pilgern, Marietta.
Doch wo das Gute liegt so nahe, in meinem Fall in einer Entfernung von etwa 50 km, da sollte man schon diese geschichtstraechtige Umgebung kennen, die auch fuer Nichtglauebige eine Attraktion der besonderen Art und es auch eine weite Reise wert ist.
Das klingt nun ganz nach Promotion fuer meine Wahlheimat, die etwas mehr Tourismus verdiente.

Mag es gerne menschen in diesem fall user zu lesen, die ihren eindrücke schildern. Persönliche eindrücke. Es liest sich eher nachvollziehbar!

Danke werter Artur fuer diese Information. Zufaelle gibts....
Schade, dass ich den Sender nicht empfangen kann, gerne haette ich per TV Bethanien nochmals angeschaut.

Liebe samar,

das ist ein wunderschöner Bericht.
Wer immer Jesus war, was immer man ihm für eine Rolle in der Geschichte zuerkennt, alles dort ist ein geschichtsträchtiges Gebiet.
Eines der Geheimnisse und der Mysterien.
Ich glaube, man wird irgendwie "andächtig", wenn man die Stimmung auf sich einwirken lässt.

Übrigens lässt sich der von Artur erwähnte Beitrag aus der ARD im Internet in der Mediathek aufrufen.

http://www.ardmediathek.de/tv/Reportage-...&bcastId=799280

Vielen Dank, liebe Rubinia fuer den Link, auch fuer die Anregung, einen Bericht ueber mein Erlebnis zu schreiben.
Es war mir eine grosse Freude - im Gegensatz zu Zeiten, da ich noch die Schulbank drueckte und es zur Aufgabe wurde, einen Aufsatz ueber einen Ausflug zu schreiben. Es gibt halt einen entscheidenden Unterschied zwischen Anregung und Aufgabe, zwischen wollen, duerfen und muessen.

Wieso habe ich das alles nicht gelesen ??

Stand doch schon ca. 60km vor Amman

aber auf der falschen Seite

Allenby Bridge - Samar wird sie kennen .

Die Israelischen Besatzer liessen mich nicht nach Jordanien

Blutjunge Soldaten - sehr hoeflich und auch sehr kindisch

Wir uebten einige Worte auf Hebraeisch , was zu schallenden Gelaechter fuehrte .

in Jericho habe ich dann zu Abend gegessen , seidige Luft -irgendwo plaetscherte ein Springbrunnen

und auf dem Rueckweg nach TelAviv lief mir noch ein Fennek vors Auto , geblendet durch die Scheinwerfer

und ich dachte mir , wie die Politik alles kaputtmachen kann .

Die Menschen suchen doch alle den Frieden .

#13

So ist es, Mac, und die Allenby Bruecke ist mir natuerlich wohlbekannt, die Bruecke zum "Gelobten Land". Dort mussten schon manchmal auch deutsche Staatsbuerger sich einer stundenlangen Befragung stellen und manchen wurde die Einreise verweigert.
Seit wann koennen die israelischen Besatzer darueber bestimmen, wer in Jordanien einreisen darf und wer nicht? Weshalb liessen diese sie nicht nach Jordanien? Wird ja immer besser!

Ja, die Politik macht vieles, wenn nicht alles kaputt in dieser Region. Ich waere sehr neugierig auf meine Nachbarn... Ich schaue taeglich auf die benachbarten blau-weissen Huegel, so nah und doch so fern. Schade drum, denn es ist tatsaechlich so, dass die Menschen Frieden suchen.
Bei Ihrer naechsten Reise nach Nahost machen Sie es einfach umgekehrt, kommen Sie erst nach Jordanien. Auch hier gibt es leckeres "busa arabiya" und nicht zu vergessen: Petra und Akaba.